Jens Schröder über Social Media und den Ukraine-Krieg.
Graf Zahl emotional: "Wenn sich die Leute darüber aufregen, dass Wodka weggekippt wird, scheint es ihnen so schlecht doch noch nicht zu gehen", sagt Jens Schröder, Zahlen-Zampano und Daten-Dompteur bei Meedia.de, im turi2 Clubraum. Nach einer Woche Ukraine-Krieg ist in sozialen Medien "die erste große Panik gewichen", beobachtet Schröder, inzwischen trenden wieder Nebenaspekte: Etwa dass Bars weltweit russischen Wodka in den Abfluss schütten. Fast vier Jahre lang hat Schröder täglich den beliebten Trending-Newsletter geschrieben, inzwischen nur noch wöchentlich, in dem er das Social-Media-Geschehen aus Zahlensicht angeht. "Am besten funktioniert alles, was emotional ist": leidende Tiere, verschwundene Kinder, hitzige Polit-Debatten und Fußball.
In der Diskussion der Themen der Woche mit Aline von Drateln und Markus Trantow stimmt Schröder Trantows These zu, dass das EU-Verbot der russischen Sender RT und Sputnik falsch ist: "Wenn man Propaganda-Sender verbietet, kann man nicht einschätzen, wie viel besser journalistische Medien sind als solche Propaganda-Medien." RT und Sputnik würden zwar Lügen verbreiten, "aber das muss eine Demokratie wie unsere aushalten", sagt Schröder. In der Diskussion um den Ukraine-Einsatz von "Bild"-Vize Paul Ronzheimer, findet es Schröder "sehr beachtlich", dass Ronzheimer in jedes Krisengebiet reist, um zu berichten. "Reporter, die in solche Kriegsgebiete reisen, müssen verrückt sein, anders geht es nicht", sagt Schröder anerkennend. Besonders beeindruckt ihn derzeit ARD-Moskau-Korrespondent Demian von Osten, der zwar nicht in der Ukraine vor Ort ist, aber "von dem ich mich sehr, sehr gut informiert fühle". Um gut berichten zu können, müsse man nicht "mitten in den Schießereien sein".
Keine rosige Zukunft sieh Schröder für das Geschäftsmodell des Privatfernsehens: Die aktuelle Kriegssituation zeige, dass lineare TV-Sender vor allem mit aktuellen Nachrichten und Sondersendungen punkten können, dazu Shows und eigene Events. Aber: "Alles, womit das Privatfernsehen großgeworden ist, Serien und Filme, das guckt kein Mensch mehr im linearen Fernsehen." Auch für Ältere würden Streamingdienste und Mediatheken zunehmend die erste Anlaufstelle für alles, was nicht live ist.
Seine Liebe zu Zahlen hat Schröder schon als Kind entdeckt, als er sich eigne Bundesliga-Tabellen errechnet hat. Damals wollte er noch Sportreporter werden. Anfangs war er in der Schule auch in Mathe gut: "Als es dann nicht mehr ums Rechnen ging, sondern um Kurvendiskussionen, da ließ es nach." Die Zahlen-Verliebtheit der Medienbranche erklärt Schröder damit, dass der Erfolg von Zahlen abhängt. "Deswegen sind Zahlen etwas Fundamentales für die gesamte Medienbranche." Ein baldiges Ende sozialer Netzwerke sieht Schröder nicht, erwartet jedoch, dass sich Diskussionen mehr ins Private verlagern, etwa in WhatsApp- oder Telegram-Chats, und die Timeline wieder "menschlicher" und weniger durch Algorithmen bestimmt wird.
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